Religion in Zeiten des Coronavirus

Nach mehreren gescheiterten Versuchen, die COVID-19-Krise in einem kurzen, treffenden Einleitungssatz darzustellen, lassen wir die folgende Grafik zur Häufigkeit der Suchanfragen nach „COVID-19“ sprechen:

Google Trends (2020): Weltweites Interesse an der Wettervorhersage und COVID-19 der letzten 90 Tage, [online] https://trends.google.de/trends/explore?date=today%203-m&q=%2Fm%2F0jp7j,covid%2019 (08.04.2020)

Das oben gezeigte Suchinteresse in Bezug auf das Virus verdeutlicht, welch große Auswirkungen ein mikroskopisch kleiner Krankheitserreger auf die ganze Welt haben kann. Die Welt befindet sich in einem Ausnahmezustand, auf den auch die Religionen reagieren müssen.

Die Evangelische Kirche Deutschland (EKD) nimmt ausführlich Stellung zur aktuellen Lage. Da die Kirchen bis auf weiteres leer bleiben müssen, setzt die EKD auf Online-Angebote zu Seelsorge, Lobpreis und Gemeinschaft.[1]

Das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (evangelisch.de) bietet unter coronagebet.de die Möglichkeit für Interessierte, zu jeder Tageszeit in einen virtuellen Gebetsraum einzutreten und mit Gleichgesinnten für einen guten Ausgang der Pandemie zu beten.

„Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Mk 12,31), das äußert sich seit März 2020 im sogenannten „Social-Distancing“. Um das Infektionsrisiko zu verringern, ist es notwendig, unnötige soziale Kontakte umfassend einzuschränken. Zuneigung allgemein und besonders Respekt gegenüber Risikogruppen zeigt man heute, indem man Abstand hält. Durch bewusste Distanzierung – auch wenn es schwerfällt – zeigt sich die Nächstenliebe in Zeiten wie diesen am deutlichsten.

Mit der katholischen und orthodoxen Kirche hat die EKD sich zusammengeschlossen und einen Aufruf zu dem Thema veröffentlicht, der den Titel „Beistand, Trost und Hoffnung“ trägt. Sie unterstützen darin die Maßnahmen der Regierung und plädieren für Solidarität und Zuversicht. „Gott ist ein Freund des Lebens“, sagen sie und betonen, dass das letzte Wort nicht das Unheil, sondern das Heil hat.[2]

Auch wenn Abstandhalten jetzt an der Tagesordnung ist, rücken die Religionen umso mehr zusammen: Das Berliner Forum der Religionen veröffentlicht täglich Gebete der unterschiedlichsten Religionen zur aktuellen Situation. Neben den in Deutschland weit verbreiteten Religionen wie Christentum, Islam, Judentum, Buddhismus und Hinduismus finden sich auch Gebete von kleineren Glaubensgemeinschaften wie Sikhismus und Baha’i.[3]

Ein Beispiel dafür ist folgendes Gebet, das Petra-Beate Schildbach, eine Angehörige der Sufi-Bewegung, als Reaktion auf die COVID-19-Krise veröffentlicht hat:[4]

H e i l – G e b e t

O Du, das Licht aller Seelen,
das Leben aller Wesen,
der Heiler unserer Herzen,
allgenügender und allmächtiger Gott,
Verzeiher unserer Unvollkommenheiten,
befreie uns von allem Schmerz und Leid
und mache uns zu Deinen Instrumenten,
damit wir unsererseits andere von
Schmerz und Leid befreien mögen
und sie teilnehmen lassen an Deinem Licht,
Deinem Leben, Deiner Freude und Deinem Frieden.
Amen

(Hazrat Inayat Khan)[5]

Angehörige verschiedener Religionen wollen sich jetzt auf die individuelle Religionsausübung, zum Beispiel Meditation und Gebet besinnen, vermissen jedoch sehr das Zusammenkommen in einer größeren Gemeinschaft, wie eine Umfrage des Berliner Forums der Religionen berichtet.[6]

Während das Aktualisieren von Infektionszahlen und die Suche nach einem Impfstoff die Medien überrollen und viele Menschen ihr Vertrauen in die Wissenschaft setzen, bleibt die Frage: Welche Antworten können Religionen während dieser weltweiten Unsicherheit bieten?

 

[1] Ein Beispiel dafür ist hier zu finden: https://www.ekd.de/kirche-von-zu-hause-53952.htm (zuletzt aufgerufen am 07.04.2020).

[2] https://www.ekd.de/gemeinsames-wort-der-kirchen-zur-corona-krise-54220.htm (zuletzt aufgerufen am 07.04.2020).

[3] https://www.berliner-forum-religionen.de/gebete-zur-aktuellen-situation/ (zuletzt aufgerufen am 08.04.2020).

[4] https://www.berliner-forum-religionen.de/gebete-zur-aktuellen-situation/ (zuletzt aufgerufen am 08.04.2020).

[5] Hazrat Inayat Khan († 1927) ist ein bekannter Lehrer und Vertreter des Sufismus. Er hat das obenstehende Gebet verfasst, das wir aber leider im Original nicht im Internet finden konnten.  Ähnliche Gebete sind unter https://www.inayatiorden.de/sufiorden/gebete/ (zuletzt aufgerufen am 10.04.2020) zu finden.

[6] https://www.berliner-forum-religionen.de/religioese-ausuebung-in-der-zeit-der-pandemie/ (zuletzt aufgerufen am 07.04.2020).